Tierärztliche Fakultät
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Neues zur genetischen Hornlosigkeit bei Rindern

02.07.2012

Auch wenn Hörner ein wichtiges Spezifikationsmerkmal der Familie Bovidae darstellen, sind sie in modernen Rinderhaltungssystemen meist unerwünscht. Die daher üblicherweise durchgeführten Enthornungen sind nicht nur ein wirtschaftlich hoher Kostenaufwand, sondern vor allem aus tierschützerischer Sicht bedenklich. Ein züchterischer Ansatz zur Erlangung genetisch hornloser Populationen ist daher wünschenswert. Bislang jedoch wurde dieser Ansatz dadurch erschwert, dass eine Reinerbigkeit von Zuchttieren erst aufgrund der Prüfung zahlreicher Nachkommen erfolgen konnte oder durch einen relativ ungenauen indirekten Gentest. Dass dieser Phänotyp (Hornlosigkeit) dominant vererbt wird, ist bereits seit über 70 Jahren bekannt. Auch der Genlocus konnte schon vor fast 20 Jahren dem Rinderchromosom 1 zugeordnet werden. Obwohl mehrere Forschungsgruppen weltweit an diesem Phänotyp gearbeitet haben, war bisher keine in der Lage die zugrundeliegende Mutation aufzudecken.

Nun gelang es einer Forschungsgruppe unter Leitung von Herrn Dr. Ivica Medugorac (Lehrstuhl für Tierzucht und Allgemeine Landwirtschaftslehre) zwei verschiedene Mutationen aufzudecken, die in perfekter Assoziation mit dem Merkmal Hornlosigkeit stehen.

Zunächst konnte der Genort des Merkmals, der sogenannte POLLED Locus, auf ein ~381 Kilobasen umfassendes Intervall eingegrenzt werden. Dazu wurden mittels Hochdurchsatz-SNP-Genotypisierung gewonnene Daten mehrerer Rinderrassen in einem Fall-Kontrollgruppen-Design gegenübergestellt (Figure 1)Figure 1. Anschließend wurde für 16 Stiere mit bekannten POLLED Genotypen eine Hochdurchsatz-Sequenzierung der Kandidatenregion (547 Kilobasen) durchgeführt. Zunächst führte die Sequenzierung zu keinem konsistenten Ergebnis. Erst nach getrennter Betrachtung der Sequenzen in einzelnen Rassengruppen konnten komplexe Insertion-Deletion Varianten aufgedeckt werden, die in perfekter Assoziation mit dem Merkmal Hornlosigkeit stehen. Die Verteilung der Genotypen der zwei möglichen kausalen POLLED Allele in 1675 europaweit gesammelten Proben aus 31 verschiedenen Rinderrassen (Figure 4)Figure4_R1 M konnte die Hypothese der allelen Heterogenität noch erhärten.

Aufgrund der Ergebnisse konnte schließlich ein direkter Gentest für das Merkmal Hornlosigkeit erstellt werden. Dieser wurde bereits im April 2012 durch anonyme Proben der Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e.V., dem Deutschen Holstein Verband e.V. sowie dem Bundesverband Deutscher Fleischrinderzüchter und -halter e.V. validiert und erfreut sich seither einer sehr hohe Nachfrage. Der direkte Gentest ermöglicht den effizienten Aufbau genetisch hornloser Zuchtpopulationen in diversen Rinderrassen weltweit.

Diese züchterisch bedeutenden Ergebnisse wurden nun in der neusten Ausgabe des Open-Access-Journals PLoS ONE veröffentlicht.

Update: Der Artikel wurde zum OMIA Landmark Paper gewählt. Begründung:

Why is this an OMIA landmark paper? One hundred and ten years after bovine polledness was one of the first six animal traits described as being Mendelian (by Bateson and Saunders, 1902; also an OMIA landmark paper), this paper reports two polled alleles in cattle of European origin, one in cattle of "Celtic" origin and one in cattle of Friesian origin, each of which is a complex indel. The fact that these alleles are located in a region in which there is no known coding, regulatory or any other type of "functional" DNA shows that we are still a long way from having a complete understanding of this locus.

http://omia.angis.org.au/landmark_articles/


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